Shopping, SIM cards and the ‘new normal’ for seafarers
Wie sieht der Alltag von Seeleuten, die heute an Bord eines Schiffes arbeiten, eigentlich wirklich aus? Wir alle kennen die Statistiken und meinen, dass wir die Herausforderungen verstehen. Sehr oft werden die Geschichten, die wir sehen, von Bildern begleitet, die Männer und Frauen mit einem Lächeln auf dem Gesicht und hochgestrecktem Daumen zeigen.
Die Hilfsorganisation „Mission to Seafarers“ spürt diese Menschen in den Häfen, Docks und Terminals auf, wo ihre Schiffe vor Anker liegen. Für die Mitarbeitenden der Organisation, die an Bord eines Schiffes gehen dürfen, besteht die Aufgabe vor allem darin, zuzuhören und Hilfe anzubieten.
Mark Lawson-Jones, Seelsorger der Mission und Betreuer im Großraum Cardiff, beschreibt es als ein Privileg, einige ihrer Geschichten teilen zu können und so ein besseres Verständnis dafür zu vermitteln, wie das Leben für Seeleute aussieht. Erst kürzlich hat er einen Artikel über seine jüngsten Erfahrungen verfasst und darin erklärt, was dies für die Zukunft bedeutet.
Für Seeleute, die auf hoher See unterwegs sind, scheinen die Fahrten über die weiten Ozeane, bei denen der Tag zur Nacht wird und die Jahreszeiten von einem Moment zum anderen wechseln, ein Leben lang in Erinnerung zu bleiben, sagt er. „Man kann nicht so isoliert sein, hunderte oder vielleicht sogar tausend Meilen von der Küste entfernt, ohne die Schönheit um sich herum wahrzunehmen: den Nachthimmel und die Herrlichkeit der Morgen- und Abenddämmerung, wenn ein neuer Tag beginnt oder zu Ende geht.“
Aber so wie es Seeleute gebe, die die Welt zum ersten Mal so sehen und sich nichts Schöneres vorstellen können, gebe es auch solche, die ihre Familie vermissen, gerne bei Familienfeiern dabei wären und das Gefühl haben, dass ihre Lebensaufgabe für immer darin bestehen wird, von den Menschen, den Dingen und den Orten, die sie lieben, getrennt zu sein.
Sie seien sich auch der Auswirkungen auf ihre Familie zu Hause bewusst, die auf Neuigkeiten wartet und auf ihr Einkommen angewiesen ist. Seine Aufgabe als Seelsorger sei es, zuzuhören und zu lernen, erklärt er.
Ganz besonders erinnerte sich Lawson-Jones an die Worte eines Seefahrers. Auf die Frage, wie schwierig es sei, seine Familie für einen weiteren langen Auftrag zurückzulassen, antwortete er: „Es ist, als hätte ich ein anderes Leben. Sobald ich außer Sichtweite bin und das Taxi mich wegfährt, ist es, als würde sich alles verändern und ich befände mich in meinem anderen Leben. Ich versuche, nicht zu oft an zu Hause zu denken, weil mich das einfach zu sehr belastet.“
Die Hafenzentren der Mission to Seafarers versuchen, den Seeleuten eine Art Zuhause zu bieten, von wo aus sie Kontakt zu ihren Familien aufnehmen und einige Zeit auf festem Boden verbringen können. Die Seelsorgenden verbringen auch Zeit an Bord der Schiffe, informieren, kümmern sich um die wichtigsten Dinge und versuchen, kleine Veränderungen zu bewirken.
Dieses ohnehin schon strenge Regime wurde während der Pandemie bis zum Äußersten strapaziert. Quasi innerhalb von Sekunden nach der Bekanntgabe des ersten Lockdowns wurden Protokolle und Richtlinien, Vereinbarungen und unterstützende Dokumente erstellt, während die Missionsseelsorger dafür kämpften, ihren Dienst aufrechterhalten zu können.
Mittlerweile haben sich Neunmonatsverträge für viele Seeleute in unbefristete Einsätze verwandelt, ohne dass ein Besatzungswechsel oder ein Datum für die Rückkehr in die Heimat in Sicht wäre. Familien machten sich große Sorgen, als sich die Welt von einem auf den anderen Moment veränderte. „Die Lockdowns haben so viele Menschen mit ihren Gedanken und Sorgen allein gelassen, und viele hatten nichts und niemanden, an den sie sich wenden konnten. Für manche war das Leben plötzlich eine unvorstellbare Herausforderung“, erzählt er.
In dieser Zeit hat die Mission Initiativen ins Leben gerufen, um diese Herausforderungen direkt anzugehen, während sie weiterhin Schiffe in zahlreichen Häfen besucht und persönliche Unterstützung anbietet. Als Landgänge gestrichen waren, fanden die Besuche in voller persönlicher Schutzausrüstung (PSA) am oberen Ende der Gangway statt, ohne Plaudereien bei einer Tasse Kaffee in der Kantine.
Die Mission to Seafarers weiß, dass schon die kleinste freundliche Geste den Alltag derer verbessern kann, die weit weg von zu Hause und ihren Angehörigen sind. Während der COVID-19-Pandemie kauften Seelsorgende für ihre Besuche an Bord Lebensmittel ein, brachten Vorräte, Hygieneartikel und Kleidung mit und halfen mit Modems und SIM-Karten, Laptops und Tablets, den Kontakt nach Hause aufrechtzuerhalten. Wenn es die Mittel zuließen, brachten sie gerne auch mal mehr Geschenke und Leckereien mit – und tun dies bis heute.
Neben der materiellen Unterstützung tut die Mission alles, um Seeleute darüber zu informieren, wie sie bei Bedarf Unterstützung anfordern können, um Informationen über psychische Gesundheit auf See zu erhalten. Darüber hinaus gibt sie Kontaktdaten von Mitarbeitenden vor Ort heraus, damit kein Mann und keine Frau in Stille leiden muss.
Durch Gespräche mit Seeleuten hat Lawson-Jones einen Einblick in die “neue Normalität” der Branche erhalten, in der Landgänge oft verboten sind und die Arbeitszeiten an Bord offenbar verlängert wurden, teilweise sogar ohne eine Vergütung der Überstunden.
„Jeder Tag ist anders, aber er bringt auch das Wissen mit sich, dass die Arbeit der Mission das Leben derer verbessert, die hinter den Kulissen so viel für uns leisten“, sagt er.
„Morgen werden noch mehr Schiffe die Häfen anlaufen, in denen wir tätig sind, und unser Zentrum wird in Hunderten von Häfen auf tausendfache Weise etwas für Zehntausende von Seeleuten und ihre Familien bewirken.“
Die Kontaktinformationen der Mission to Seafarers finden Sie unter www.missiontoseafarers.org/help-where-can-i-get-help.
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