Ein optimistischer Leitfaden für die Digitalisierung
Die COVID-Pandemie hat die Digitalisierung nochmals in den Vordergrund gerückt. So hat sie unsere Gesellschaft dazu gezwungen, neue Wege des Arbeitens, Lernens und der Vernetzung zu beschreiten und digitale Tools einzusetzen, um wichtige Dienste und Verbindungen aufrechtzuerhalten.
Für eine Branche, in der Veränderungen langsam vonstattengehen, die immer noch stark von papierbasierten Prozessen abhängt und die einen geringen Grad an Digitalisierung aufweist, war dies eine Art Schock. So tat sich die Schifffahrt anfangs schwer, sich anzupassen und auf die neuen Herausforderungen zu reagieren.
Seitdem hat die Branche die Einführung digitaler Prozesse vorangetrieben und laut der Klassifikationsgesellschaft DNV GL „die digitale Entwicklung im Seeverkehr um ein halbes Jahrzehnt beschleunigt“.
Doch wie ein aktueller Bericht des Antriebsherstellers Kongsberg und der Unternehmensberatung KPMG zeigt, reichen die im Laufe des vergangenen Jahres unternommenen Anstrengungen noch nicht aus. Selbst die normalerweise datenscheue IMO hat erklärt, dass die Digitalisierung für die Schifffahrt von entscheidender Bedeutung sein wird, um in der Zeit nach Corona effektiv arbeiten zu können.
Die Autorinnen und Autoren des Berichts identifizieren drei kritische Punkte für die Schifffahrt auf dem Weg in eine digitale Zukunft. Sie sind sich jedoch sicher, dass die Digitalisierung für die Schiffseigner auch nach der Pandemie von entscheidender Bedeutung sein wird.
Erstens wird die Maximierung von Kosteneinsparungen für Schiffseigner und -betreiber unabdingbar sein, um weitere Turbulenzen zu überstehen. In vielen Fällen haben die Ereignisse die Ergebnisse des Berichts überholt. Die Märkte für Schüttgut sind den Prognosen für 2021 weit voraus und der Containersektor ist für die Unternehmen sogar so profitabel, dass die Verlader versuchen, die Regulierungsbehörden zum Eingreifen zu bewegen.
Eine Flaute ist möglich – insbesondere nach dem chinesischen Neujahrsfest –, aber die Nachfrage scheint bei den meisten Rohstoffgruppen volatil und bei anderen stark zu sein. Das Problem ist, dass während die einen Gewinne machen, die anderen, vor allem das Tankergeschäft, mit immer höheren Treibstoffkosten und einer anhaltend schleppenden Nachfrage zu kämpfen haben.
Schifffahrtsunternehmen, die bereits unter den unruhigen Märkten der vergangenen Jahre und den Kosten für die Abgasreinigung litten, stehen vor weitaus größeren Hürden, da sich die Aufmerksamkeit auf einen kohlenstoffarmen Betrieb und immer teurere zukünftige Kraftstoffe richtet. Wenn digitale Tools die versprochenen Kosteneinsparungen von bis zu 30 Prozent erbringen können, werden sie von jedem Unternehmen, das überleben will, als unverzichtbar angesehen.
Zweitens muss die Schifffahrt die Lehren aus der Pandemie ziehen, nämlich dass Unternehmen ohne ausreichende Digitalisierung Schaden nehmen, während technologieorientierte Unternehmen die Pandemie als Chance nutzen und ihren Umsatz sogar steigern konnten.
Aber unabhängig von der Branche mussten Unternehmen eine digitale Infrastruktur aufbauen, um trotz einer oftmals von zu Hause aus arbeitenden Belegschaft effektiv funktionieren zu können – was in der Schifffahrt so nicht umsetzbar ist.
Eine Untersuchung des Beratungsunternehmens McKinsey hat ergeben, dass die Digitalisierungsbemühungen weltweit durch COVID um das 20- bis 25-fache gestiegen sind. Das gelte auch für den Seeverkehrssektor, so die Autorinnen und Autoren des Berichts.
Neben der Organisation einer Infrastruktur, die es Angestellten ermöglicht, von zu Hause aus zu arbeiten, lägen einige der größten operativen Probleme für Schiffseigner im Besatzungswechsel und der Frachtdokumentation. Angesichts nationaler Lockdowns, Reisebeschränkungen und Flugausfällen hätten die Reedereien Schwierigkeiten, einen sicheren Personalwechsel an Bord zu organisieren, und in allzu vielen Fällen säßen die Besatzungsmitglieder bis heute auf den Schiffen fest.
Die Unfähigkeit von Ingenieuren, Agenten, Hafenbehörden und anderen Stellen, Schiffe zu betreten, habe deutlich gemacht, wie problematisch es ist, sich auf Papier als Mittel zur Erleichterung des globalen Handels zu verlassen.
Darüber hinaus werde die Schifffahrt, angetrieben durch ihre Kunden und deren Kunden, künftig unter zunehmendem Druck der globalen Lieferkette stehen, digitaler und transparenter zu werden. In dieser Krise haben sich die Anfälligkeit und die Schwächen der globalen Lieferketten gezeigt – sowohl an Land als auch auf See.
Die intensive Ausrichtung auf eine Optimierung der Lieferketten in den vergangenen Jahrzehnten – die Verschlankung von System und Abläufen, um Kosten zu senken, Bestände zu verringern und die Auslastung der Anlagen zu erhöhen – hat nicht nur den Spielraum der Unternehmen verringert, sondern auch die Fähigkeit, mit neuen Herausforderungen umzugehen.
In einem kürzlich veröffentlichten Bericht kam die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zu dem Ergebnis, dass mehrere Unternehmen in der Folge angekündigt haben, den Risiken im Zusammenhang mit ihren Lieferketten mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Man wolle sie umstrukturieren, um sie in Zukunft widerstandsfähiger gegen Krisen zu machen, um Entscheidungsfindungsprozesse zu verbessern und um Kosten zu sparen.
Als integraler Bestandteil globaler Lieferketten wird die Schifffahrt von den Akteuren entlang der Lieferkette zunehmend unter Druck gesetzt, ihre Abläufe transparenter zu gestalten und eine bessere Kommunikation zwischen den einzelnen Stakeholdern der Lieferkette zu ermöglichen.
Zusammenfassend heißt es in dem Bericht, dass digitale Technologien der Schlüssel zur Steigerung der Rentabilität sowie zur Verbesserung der Sicherheit und der Umweltleistung von Schiffseignern und -betreibern sein werden. Entscheidend sei, dass die Hürden für den Weg in die digitale Transformation immer niedriger werden.
Das erste große Hindernis sei bisher natürlich der Kostenfaktor gewesen. Neue Technologien würden jedoch kontinuierlich preiswerter, und dieser Trend werde sich auch in Zukunft sich fortsetzen. Die Digitalisierung biete daher nicht mehr nur eine Chance für gut situierte Unternehmen, sondern werde zunehmend auch für die breite Masse zugänglich.
Die zweite Hürde bei der Digitalisierung stehe oft in Zusammenhang mit Unsicherheiten bei der Wahl des richtigen Ansatzes: Während sich einige Reedereien für einen schrittweisen Prozess entschieden hätten, der die Infrastruktur ihrer Flotten im Laufe der Zeit aufbaut, wählten andere einen projektbezogenen Ansatz, bei dem sie zu Beginn Ziele definierten, bevor sie diese in großen, fokussierten flottenweiten Schritten umsetzten.
Beide Ansätze könnten funktionieren, und während die Digitalisierung in der Vergangenheit vielleicht auf die oberen Segmente wie Tanker, Kreuzfahrtschiffe oder Offshore beschränkt war, ist heute klar, dass sie in allen Segmenten Einzug halten wird. Angeführt wird das Feld hier von einigen zukunftsorientierten Wegbereitern, doch sobald positive Resultate sichtbar oder finanzielle Vorteile spürbar werden, dürften weitere nachziehen.