Warum die gemeinsame Datennutzung die Welt nicht retten wird
Vielleicht sind es die Nachwehen von bald zwei Jahren, in denen Wissensarbeitende zu Hause bleiben durften, während gewöhnliche Arbeitende weiterhin zur Arbeit mussten, aber plötzlich scheint der Wunsch nach mehr gemeinsamer Datennutzung und Expertise in der Schifffahrt einen Schritt in die falsche Richtung gemacht zu haben.
Dies wird führenden Vertretern der Schifffahrt unangenehm aufstoßen, die mehr Zusammenarbeit und Kooperation fordern, um einen emissionsärmeren Betrieb zu erreichen und einige der hochtrabenden Versprechen der COP26 zu erfüllen.
Trotz des Drängens auf mehr Klimaschutz scheint es, als hätten die wirtschaftlichen Interessen COVID gut überstanden. Es war schon immer eine Herausforderung für die Schifffahrt, das Allgemeinwohl über das Eigeninteresse zu stellen. Keine Reederei, die darauf besteht, dass ihre Kunden zu viel für die Fracht bezahlen, oder ein anderes Schiff zuerst an den Liegeplatz lässt, überlebt im harten Wettkampf.
Wenn es aber um höhere Effizienz, niedrigere Kraftstoffkosten und letztlich um die Reduzierung der Kohlendioxidemissionen geht, liegt es nahe, Know-how zu bündeln, um die Effizienz der weltweiten Flotte zu verbessern. Dies geschieht bereits im Bereich der Schiffssicherheit: Zahlreiche Projekte ermöglichen den Austausch von Daten über Beinaheunfälle und ähnliche Ereignisse auf anonymer Basis, was zu einer dramatischen Verringerung von Unfällen geführt hat.
Das Hauptproblem im Zusammenhang mit den Bemühungen zur Reduzierung des Kohlenstoffausstoßes besteht darin, dass die Grundlage für die gemeinsame Datennutzung auf einer gerechten Basis aufgebaut werden muss. Die unterschiedlichen Motivationen, die Reedereien, Betreiber und Charterer gegeneinander aufbringen, sind nach wie vor ungebrochen. Wenn Innovation Investitionen erfordert, warum sollte dann eine Reederei oder ein Verfrachter für etwas bezahlen, von dem andere profitieren?
Wie Chris Peters, Chief Executive Officer, Maritime Logistics, Tristar, auf der kürzlich in Dubai abgehaltenen Smart Maritime Network-Konferenz erklärte, besteht eine Wahrnehmungslücke zwischen der Nutzung von Daten für einen intelligenten Betrieb und der Realität.
„echnologien entwickelt sich schneller als die traditionelle Schifffahrt. Sie werden die Branche voranbringen, aber auf eine Art und Weise, die viele der Betroffenen nicht verstehen“ erklärte er. Große Unternehmen seien zwar gerne bereit, Plattformen zu schaffen, aber sie würden sich scheuen, Daten mit anderen zu teilen. „Die Herausforderungen sind sowohl finanzieller als auch geschäftlicher Art; wir wollen keine Geschäftsgeheimnisse preisgeben, aber wir möchten gerne die Geheimnisse von anderen erfahren.“
Die Vorteile der Zusammenführung von Daten lägen auf der Hand, vorausgesetzt, die Qualität stimmt. So ist auch John Harrison von Intellian Technology der Ansicht, dass der Anwendungsbereich beschränkt ist. „Es ist enorm wichtig, aussagekräftige Daten zu sammeln, zu filtern und zu vebreiten. Um an Massendaten zu gelangen, müssen jedoch einige Hindernisse überwunden werden. Die Zusammenführung von Flottenleistungsdaten über ein Hochgeschwindigkeitsnetzwerk und deren Analyse in der Cloud birgt ein Einsparpotenzial von Hunderttausenden von US-Dollar, aber das lässt sich eher schlecht teilen“, erklärte er.
Auch Vivek Seth von ADNOC Logistics & Services wiederholte einen Satz, der oft geäußert wird, aber wenig Gehör findet: Quantität und Qualität sind nicht dasselbe. „Es gibt da draußen auch eine Menge unbrauchbare Daten, das dürfen wir nicht vergessen. Wertvolle Daten müssen als Schlüsselkompetenz im Unternehmen bleiben. Daten sind Wissen, das einen Wettbewerbsvorteil darstellt; die Frage ist, wie viel davon man bereit ist zu teilen.“
Daten könnten in Zukunft eine wichtige Rolle bei Entscheidungsprozessen spielen, aber die Frage nach der Art der Informationen, die gemeinsam genutzt werden dürfen, bedürfe einer Vorgabe durch die Politik, so Vinay Sharma, Direktor für Informationstechnologie bei Gulftainer. „Es gibt materielle und immaterielle Vorteile; zudem wären exakte Informationen über Hafenankünfte wünschenswert. Die Herausforderung besteht jedoch darin, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der es uns ermöglicht, diese Vorteile zu maximieren“, so Sharma.
Chris Peters fügte hinzu, dass das US-amerikanische Kartellrecht die Weitergabe potenziell wertvoller Informationen effektiv verhindert und die gesetzliche Strafe (Gefängnis) ihr Übriges tue; er ging jedoch nicht darauf ein, welche Daten und an wen sie weitergegeben werden könnten.
Die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer stimmten darin überein, dass es notwendig wäre, eine Art gemeinnützige Struktur zu schaffen, die als Dach für den Datenaustausch genutzt werden könnte. Dies würde allerdings voraussetzen, dass sich eine Branche, die nicht gerade für ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit bekannt ist, zusammenrauft.
PortXchange wurde gegründet, um Reedereien zu helfen, durch die Optimierung ihrer Hafenanläufe Emissionen und Geld zu sparen. Es nutzt maschinelles Lernen zur Datenanalyse und verfügt über einen Prozess, der auf die gemeinsame Nutzung von Daten zum beiderseitigen Vorteil ausgerichtet ist. Je mehr Daten zur Verfügung stehen, desto mehr profitieren Mitglieder. Dazu gehört auch die Analyse verschiedener Datensätze und die Weitergabe der Ergebnisse, was bisher ohne Probleme mit den Behörden erfolgt ist.
Dennoch sagte Tom Anneberg, Director Business Development, dass PortXchange in einigen Fällen Daten von Schiffen für das System erraten müsse, weil die Betreiber sehr um Geheimhaltung bemüht seien. Angesichts der schieren Größe der Herausforderung verwundere ihn das dann doch
„Ich frage mich: Wenn wir Daten zu Sicherheitszwecken gemeinsam nutzen, warum dann nicht auch zur Rettung unseres Planeten?“, sagte er. „Natürlich können wir darüber reden, an welchen Stellen vielleicht ein Return on Investment möglich ist, aber wann immer wir versuchen, neue Leute und Unternehmen an Bord zu holen, stoßen wir auf die gleichen Probleme. Als erstes kommt immer direkt die Frage: ‚Und was habe ich davon?‘, und dann sagen wir: ‚Möglicherweise gar nichts außer geringerer Emissionen‘.